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Süddeutsche Zeitung, 08.07.2002

Wunderbar leicht ist am Theater Aachen geworden, was leicht seicht wird: das volkstümliche Opernlustspiel „Il Campiello“ von Ermanno Wolf-Ferrari... Die letzte der fünf Goldoni-Opern, die den deutsch-italienischen Komponisten berühmt machten. Heute ist er eher berüchtigt. Für die Harmlosigkeit seiner arg abgemilderten Wiederaufnahme der Opera buffa. Davor hatte glücklicherweise Aachens Intendant Paul Esterhazy keine Angst. Gemeinsam mit den jungen Sängern und Musikern ... betont er ganz und gar das Spielerische dieser musikalischen Typenkomödie. Sehr einfach, sehr bunt und bewusst naiv. Und entkommt gerade so der gutmütigen Spitzweg-Welt, die immer ein bisschen in Wolf-Ferraris Venezia-Bild des 18. Jahrhunderts hineinfärbt. ... Esterhazy verlegt das Geschehen in die letzten Tage des Karnevals. Als Erinnerung an jene Plätze, wo das Theater seinen Anfang nahm. Bei ihm ist der „Campiello“ eine Bretterbühne, die Häuserfassaden sind improvisiert wirkende rote Stoffbahnen mit simplen Fensteröffnungen (Ausstattung: Pia Janssen). Wenn sich alle für den neuen Narrentag kostümieren, mit Kissenhintern, Wotan-Wurzelzwergbart oder Napoleonsdreispitz für den kleinsten Sänger, entkleiden die Verkleidungen humorvoll die geheimen Wunsch-Selbstbilder sowohl ihrer Träger wie auch der Oper überhaupt...

Am Vergnüglichsten aber ist die Qualität des Sänger-Ensembles. Etwa der koreanische Bass Kwan-Hyun Cesare Kim, der als gefoppter Anzoleto sein Buffo-Talent bestens herausstellt. Und vor allem die auch schauspielerisch höchst komisch-agile Sopranistin Britta Wieland als Gasparina. Ein nervös flitter-flattriger Zitronenfalter; Stimme und Augendeckel klimpern wie Schmetterlingsflügel. Eine lispelnde Mary Poppins-Prinzessin, die über den Dachfirst ihrer Träume von französischer Grazie balanciert mit wackligem Zierschritt, einknickenden Kratzfüßen, aber sicherer Stimme....

Aachener Zeitung, 06.07.2002

Regisseur Paul Esterhazy hat für Ermanno Wolf-Ferraris Oper „Il Campiello“ mit den Studierenden der Musikhochschule Aachen ein witziges Regiekonzept erarbeitet, das dem Trend der beliebten Aktualisierung historischer Sujets entgegenläuft: liebenswerte Italiener unserer Zeit mit den nur zu gut bekannten charakteristischen Macken und Spleens erwachen gleichzeitig mit der bühnenbildnerisch rot gewandeten Lagunenstadt. Doch statt in der Gegenwart zu bleiben, läuft die Zeit rückwärts, denn immer mehr Detailveränderungen im individuellen Outfit verwandeln die Darsteller nach und nach in die prallen Figuren des Commedia dell’ arte. Das sorgt für optische Überraschungen bei den Kostümen von Pia Janssen: Melonenhälften und ein zweigeteilter Globus werden kurzerhand zu Riesenbrüsten besonders williger Damen umfunktioniert, im Schwarzwald-Hut der Krapfenbäckerin Orsola stecken Karnevals-Berliner, die prallen Botticelli-Hinterteile der herrlich überdrehten Mütter bestehen aus Brotlaiben und Daunenkissen. ... Das Publikum feierte das Ensemble.