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Orpheus, 01/02. 2009

> Pralles Theater
von Samuel C. Zinsli

Rossinis „Otello“ erleben wir in der Regie von Paul Esterhazy als eine (sicher nicht nicht General-)Probe. Dieser Einfall wirkt der Statik des Librettos effektiv entgegen, das wir wohl doch nur auf der Boito/Verdi-Folie wahrnehmen können. Leerläufe werden vermieden, ohne dass die Zusätze störend ablenken. Und die Handlung zieht sich auf der Ebene des (gespielten) Produktionsteams weiter wie in George Cukors „Double Life“. Noch vor der Ouvertüre sehen wir ein erstes Mal die Schluss-Szene, nach welcher der nachmalige Jago als Regisseur unterbricht und Othello und Rodrigo die Rollen tauschen lässt (der doppelte Strippenzieher ist eine Paraderolle für die szenisch-sängerische Begabung Raimund Wiederkehrs, und Desdemona wie ihre Sängerin wenden ihre Zuneigung flugs dem „neuen“ Othello zu. Esterhazy zieht viel pralles Theater aus dieser Anlage (incl. köstlich kulissenschiebendem Chor), verliert aber im Laufe des Abends den Aspekt leider etwas aus dem Blick (Ausstattung von Pia Janssen.)
Oscar Roa, perfekt als Othello wie als divenhaft unsicherer Primo Tenore, singt mit melancholisch-heldischem Timbre und technisch sicher. William Lombardi hat die angemessen feinere Stimme, singt von den drei Tenören die saubersten Koloraturen und gefällt als sich ewig ungerecht behandelt fühlender Rodrigo/abgesägter Otello. Yongfan Chen-Hauser (Elmiro) macht Spaß als von Jago-Regisseur permanent abgewimmelte Nervensäge und gefällt mit sauberer Linie und Koloratur, während Konstantin Nazlamov mal wieder alles aus den Auftritten als Doge und Gondoliere herausholen kann. Valentin Vassilev gibt einen kompetenten Luca und hat den tadellosen Chor vorbereitet. Ingrid Alexandre spiel eine vergnüglich-hilflose Emilia mit rundem Klang. Violetta Radomirska braucht den Vergleich mit den Großen ihres Faches mit dieser Desdemona endgültig nicht mehr zu scheuen (darstellerisch ohnehin nicht) - da lassen Diktion, Intonation, Phrasierung, Dynamik etc. keine Wünsche mehr offen, und die Einzelaspekte gehen alle in der puren Schönheit ihres Gesanges und der nahtlosen Verbindung mit dem Szenischen auf. Franco Trinca und das Orchester zeigen den Farbreichtum und die Dramatik von Rossinis Partitur, streichen die harmonischen Überraschungen und orchestralen Raffinessen heraus, dass es einmal mehr eine wahre Freude ist.