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Opernwelt, 03.2017

Nahezu seit einem Jahrhundert wird im Oldenburgischen Staatstheater Oper gespielt, aber noch nie hat das Publikum dort einen kompletten Ring erlebt. Vor gut 40 Jahren wäre es schon einmal fast dazu gekommen, aber das Unternehmen wurde 1973 kurz vor Vollendung abgebrochen, nachdem die als Brünnhilde engagierte Sängerin Isabel Strauss zusammen mit dem Oldenburger GMD Fritz Jagoda in einem Waldstück bei Bern freiwillig in den Tod gegangen war.

Ob dieses Ereignis zumindest im Unterbewusstsein des Regisseurs eine Rolle dabei gespielt hat, dass er den neuen Oldenburger "Ring" jetzt in einem Schweizer Bergdorf ansiedelt? Man wird es nicht ergründen. Wesentlicher allerdings erscheint die inhaltliche Komponente. Dass man nämlich, wie es im Programmheft heißt, das Werk reduzieren wolle auf einen Mikrokosmos, der "sich im Kleinen, Überschaubaren immer deutlicher offenbart als im Übertriebenen, Gigantomanischen."

So weit das Konzept. Und es geht, was "Das Rheingold" betrifft, im Wesentlichen auf. Die großen Emotionen, die den Handlungen der mythischen Gestalten des "Vorabends" zugrunde liegen, lassen sich durchaus übertragen auf die in ihrem klaustrophobischen Gebirgstal lebenden schweizer Bauern, die uns Regisseur Paul Esterhazy auf der Oldenburger Bühne vorführt. Zumal es ihm und seinem Bühnen- und Kostümbildner Mathis Neidhardt gelingt, eine fesselnde, in sich stimmige, dabei realistisch-bodenständige Sex-and-Crime-Story zu erzählen, ohne Wagners Intentionen zu verfälschen. (...) Wotan und Fricka liegen im Ehebett, bewacht von der reglos neben einem monumantalen Eschenstamm sitzenden Erda, die bereits das Schwert Nothung in Händen hält. Von solchen Anspielungen lebt Esterhazys Inszenierung, die für den vollen Genuss den wissenden Wagnerianer voraussetzt, dem Novizen aber genügend Stoff zum Denken gibt. (...) Möglich macht solch rasche, filmisch wirkende Szenenfolge ein Drehbühnenaufbau, der in technischer Perfektion an die 30 Räume ineinanderschachtelt.


Das Opernglas, 03.2017

Das Rheingold

von Markus Wilks

Mit ihrer Interpretation wollen die Oldenburger weder die göttlichen Dimensionen des Werkes noch die Abgründe der Weltpolitik thematisieren. Vielmehr sucht Regisseur Paul Esterhazy, analog zu den räumlichen Dimensionen des Staatstheaters, den "kleinsten gemeinsamen Rahmen", in dem sich die "monströse" Geschichte abbilden lässt. Er lässt das "Rheingold" in der abgeschiedenen Welt eines Bergdorfes spielen, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint (ein wesentlicher Teil des "Rings" und auch der Konzeption ist bekanntlich in der Schweiz entstanden). Zwar verbindet man das Nibelungenwerk wegen der Figuren mit der nordischen Sagenwelt, doch war Richard Wagner laut Esterhazy "der Norden suspekt, sodass er ihn nie bereiste"; zudem klängen "die Farben der Musik eher nach Norditalien als nach der nordischen Gebrgswelt."

Wie der Regisseur nun das "Rheingold" in einem rustikalen Bergdorf ablaufen lässt, ist große Klasse. Er versteht es, in den einfachen Menschen mit ihren naiven Vorstellungen und ihrer sehr eigenen Naturgläubigkeit die großen Charaktere, Emotionen und Gedanken Wagners zu zeigen. Es sind Menschen, die sich zwischen triebhafter Lust, Gläubigkeit, Korruption, hierarchischer Strukturen und brutaler Gwalt behaupten müssen. Das eine oder andere Bild ist sehr deutlich ausgefallen (etwa Alberichs animalische Sexinstinkte, die Inzestauswirkungen bei Donner, die Krankheiten der offenherzigen Rheintöchter und Freias ünernatürlicher Milchfluss als Alternative für ihre Äpfel), aber so wird insbesondere für den "Ring"-Einsteiger die Handlung plastisch und kurzweilig. Fortgeschrittene Wagnerianer können dank der zahlreichen Statisten bereits die Figuren der folgenden Opern erahnen und beispielsweise sehen, wie Wotan das Schwert Notung in das Haus der soben geborenen Zwillinge Siegmund und Sieglinde bringt.

Erwähnenswert ist das aufwändige, für alle vier Opern konzipierte Bühnenbild. Ausstatter Mathis Neidhardt hat mehrere authentisch wirkende Bauernhausräume entworfen, die dank des perfekten Einsatzes der Drehbühne fast filmisch ineinander überblendet werden. So wird der Spielort rund 30 Mal variiert und bietet immer neue Ansichten. Es wird sogar klassisches Zaubertheater geboten (Alberichs Verwandlungen mit dem Tarnhelm) und es gibt zwischen dem ganzen Schmutz und Elend auch idyllische, fast banale Momente, etwa wenn Wotan und Fricka zu "Abendlich strahlt der Sonne Auge" auf der Gartenbank vor ihrem Walhall sitzen und sie ihren Regenbogenschal strickt.

Neue Musikzeitung, 06.02.2017 

Der Mythos der Nibelungen erlaube, so Richard Wagner, eine ‚ungemein scharfe Erkenntnis vom Wesen des Besitzes, des Eigentumes‘. Der Anfang einer solchen Weltvorstellung […] gelang nahezu perfekt: in der präzisen und empfindlich transparenten musikalischen Wiedergabe unter Generalmusikdirektor Hendrik Vestmann, in der durch Realismus und gut gesetzte Komik verführerischen szenischen Konzeption des Österreichers Paul Esterházy, in der überragenden Leistung der SängerInnen, die ausnehmend gut artikuliert sprechen, und im braun gefärbten malerischen Bühnenbild (und Kostümen) von Mathis Neidhardt.


Musik-heute.de, 05.02.2017 

Der gelungene Auftakt ist mehr als vielversprechend und erhöht die Erwartungen für ‚Die Walküre‘, ‚Siegfried‘ und ‚Götterdämmerung‘. Paul Esterhazy entführt das Publikum in eine mystische Welt, die zumeist im Halbdunkel liegt. Dreh- und Angelpunkt im wahrsten Sinne ist die Bühne. Sie ist ein wahres Wunderwerk. […] Esterhazy erzählt die mythische Geschichte mit einer wirkungsvollen Mixtur aus packender Dramatik und humorvollen Spitzen. […] Dirigent Hendrik Vestmann und das Staatsorchester meistern die Mammutaufgabe Wagner mit einer gehörigen Portion Leidenschaft. Die intensiven, mächtigen Klangräume, die sie schaffen, ergänzen perfekt das Bühnengeschehen.


Nordwest Zeitung 06.02.2017 

Die Göttersippe agiert in der abgeschiedenen Gesellschaft eines alpinen Dorfes. Die Blicke auf banale und boshafte Charaktere sind scharf, vulgär und hellsichtig. Esterhazy hat Wagners Musik intensiv zugehört. Da muss er nichts überinszenieren, nichts mit gesuchter Bedeutung aufladen. Trotzdem behält dieses Welttheater seinen Geheimniszauber. … Statt pathetisch aufgebauschter Großräumigkeit fasziniert ein federndes und gestisch vielfältig gegliedertes Musizieren.


kreiszeitung.de 05.02.1017 

„Große Sängerleistungen sind zudem zu bewundern, die allein die Reise nach Oldenburg lohnen lassen: Johannes Schwärsky ist ein intensiver und dämonischer Alberich, Timothy Oliver ein smarter und agiler Loge, Ann-Beth Solvang eine beschwörende Erda. Und das übrige Ensemble hält glänzend mit: Daniel Moon als Wotan, Melanie Lang als Fricka und Sarah Tuttle als Freia können überzeugen. Wagner an kleinen Bühnen? Ja natürlich!“ 


Bild.de 05.02.2017 

„Regie, Orchester und großartige Solisten machen den Abend zum Gesamtkunstwerk. Großer Jubel und ‚Bravo‘-Rufe - ein Muss für Opernfans!“ 


Weser Kurier, 06.02.2017 

„Insgesamt eine beachtliche Leistung, die auf die Fortsetzung gespannt macht.“